"Und nun bitte einmal kräftig husten".
Nun gut, fangen wir doch lieber bei 0 an. Ich war heute bei der Musterung. Uhhh... Hatte im Vorfeld viel davon gehört, meist von Freunden, die sie schon vor mir über sich ergehen lassen mussten, teilweise aber auch von Bekannten und Verwandten, weitere Informationen hatte ich widerrum aus den allgegenwärtigen Medien entnommen. Die Menschheit war sich im Großen und Ganzen einig gewesen: die Musterung bündelt all das, was die Ängste der Heranwachsenden ausmacht: Peinlichkeiten, Ge- und Missverständnisse und nicht zu vergessen: bloße Nacktheit.
Ich bin also relativ voreingenommen aber dennoch, wie so oft, tiefenentspannt an die Sache herangetreten. Während meiner Anfahrt machte ich von Bus und Bahn Gebrauch und siehe da - pünktlich um 08.53 Uhr konnte ich meinen 9-Uhr-Termin wahrnehmen. Nun ja, theoretisch jedenfalls. Mein erstes Vorurteil erfüllte sich relativ schnell und wurde mit voranschreitender Zeit bekräftigt: Wehrdienstbeamte sind laaaangsam. Mit 20 Minuten Herumsitzerei im ersten von 4 Wartezimmern, dessen Tapetenmuster ich später noch genauer inspizieren würde, war ich allerdings noch relativ gut dran, andere Musterungsopfer erzählten mir mit schläfrigen Augen von mehreren Stunden, die sie dort bereits verbracht hätten.
In Zimmer zwei, erstes Obergeschoss, ging es dann ans Umziehen, hier herrschte die typische Sportverein-Umkleide-Atmosphäre. Nein, ein Glück hat niemand dem anderem das nasse Handtuch auf den Arsch geklatscht, trotzdem war es vergleichbar - eben mit jener Anspannung vor einem großem Spiel.
Nachdem ich vorher auf einen Schulkameraden aus meiner Stufe getroffen war, wurde nun endlich - nach etwa 30 Minuten - mein Name aufgerufen. Viel passierte bei Ärztin 1 nicht, nach einigen oberflächlichen Untersuchungen und ein bisschen Becherstrullen war die Sache gegessen. Mit einem überfreundlichen "Dschungrrr Maann, icch saachkte rrrechktz!" (Stimmt, nur leider meinte sie in Wirklichkeit links) wies sie mir netterweise den korrekten Weg ins Wartezimmer 2.
Wartezimmer 2. Vier Wände, Zehn Stühle, ein Tisch. Und gefühlte 20 Strahlemänner in Armeeuniform lachten mir mit ausgestrecktem Daumen und angestecktem Abzeichen von den Covern der Zeitschriften entgegen. "Bundeswehr - Ein Job mit Zukunft". Ich klopfte mir gedanklich auf die Schulter, heute Morgen auf ein ausgedehntes Frühstück verzichtet zu haben, denn spätestens hier wäre es mir mit Sicherheit wieder hochgekommen. Nach etwa einer halben Stunde sah ich aber auch diesen Raum, und die voll aufgedrehte aber gänzlich kalt gebliebene Heizung, zum letzten Mal, mich untersuchte nun Ärztin Nummer 2, in Zimmer Nummer 4.
Hier verbrachte ich eigentlich den Großteil des Vormittags. Nach einem Hörtest und der im Anschluss gestellten Frage, ob ich denn laut Musik hören würden oder wie das Ergebnis anders zu erklären sei (lach), folgte der letzte Test in diesem Abschnitt der Musterung:
Der Sehtest! Mir noch mehr oder wenig bekannt von der Zeit des Führerscheins, erinnerte ich mich daran, dass man für die Öffnungen der dargestellten Kreise ja auch von den wunderbaren Himmelsrichtungen Gebrauch machen könnte. "In welche Richtung zeigen die Kreisöffnungen?" Munter betete ich es also herunter - Nord, Nordost, Ost, usw. - nicht vergessend, immer schön ein straffes Tempo an den Tag zu legen. Nach dieser Geographie-Stunde schaute sie ziemlich verwirrt drein, konnte mir aber keinen Fehler anhängen.
Nach ein paar weiteren Doktorspielchen und ein wenig künstlichem Husten, schickte man mich zunächst wieder zum Umziehen, dann zurück ins Wartezimmer 1, und nach einem Gespräch im fünften Zimmer, in dem noch einmal beteuern musste, Pazifist zu sein, wurde ich dann endlich entlassen. Unglaublicherweise zeigte meine Uhr gerade einmal an, dass ich nur zwei Stunden bei der Wehrdienststelle verbracht hatte. Trotzdem: Für die meisten ist die Musterung alles in allem, eine langatmige, unangenehme und teilweise überflüssig erscheinende Prozedur. Man ist letzlich froh, dass man raus ist. Trotzdem sollte man zwischen all den Urinproben und Fragen nach der eigenen psychischen Zurechnungsfähigkeit seinen Humor nicht zu Hause lassen.
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