Donnerstag, 9. September 2010

MITFAHRGELEGENHEIT - Filmdreh interaktiv

Der Weg eines Filmes von der Idee bis zur Vorführung im Kino ist - plump ausgedrückt - immer der gleiche. Nachdem ein Drehbuchautor seine Ideen in einem Skript festgehalten und ausformuliert hat, beginnt die engere Zusammenarbeit mit dem Regiesseur, sofern diese nicht ein und dieselbe Person sind. Die Aufgaben werden verteilt, Verträge mit Produzenten und Schauspielern abgeschlossen, Drehorte gewählt. Für jede Frage und jedes Belangen, egal ob Geld, Cast, Kostüme oder die kreative Umsetzung, sind professionelle und meist gut bezahlte Menschen an Ort und Stelle, die dafür sorgen, dass der Film in den Kinos am Ende die Kassen klingeln lässt.

Mitfahrgelegenheit ist der erste deutsche Film, der diesem System den Rücken kehrte, und damit beweist, dass auch unkonventionelle Methoden der Filmemacherei am Ende von Erfolg gekrönt sein können. Über die interaktive Webseite Filmtrip.de war es dem vorab über den Beginn der Dreharbeiten informierten Publikum erstmalig möglich, aktiv in das Geschehen vor und hinter der Kamera einzugreifen. Mittels Diskussionsplattform wurden die Besucher der Seite aktiv in den kreativen Schaffungsprozess mit eingebunden - live während der Dreharbeiten und der damit verbunden Reise der Crew, die chronologisch zu dem im Film thematisierten 'Roadtrip' von Karlsruhe bis ins spanische Gandia unterwegs waren. Unter anderem war es den Usern so möglich, Route, d.h. Drehorte, Handlungstränge und sogar die Besetzung selbst zu bestimmen - während des revolutionären Drehexperiments wurden so über 2600 Kommentare von Mitwirkenden abgegeben, die - einige mehr, andere weniger - direkt in das Skript und die Umsetzung eingeflossen sind. Besonders bei der Wahl des Soundtracks ließen die jungen Filmemacher aus der Nähe von Dresden den engagierten Leuten aus dem Netz freie Hand - so wurde vor allem in Deutschland beheimatete Qualitätsmusik von den Ohrbooten oder Clueso hochgevotet, heraus kam eine musikalische Untermalung die - weil vom Publikum selbst gewählt - auch genau den Nerv der Zeit trifft.

Alles in allem also ein Film, von Filmefreunden für Filmefreunde. Premiere feierte Mitfahrgelegenheit bereits im Juni 2008 in einem kleinen Berliner Kino. Finanziell gesehen war der Film erfolgreich, nicht weil er übermäßig hypte, sondern weil die sehr überschaubaren Produktionskosten den Streifen bereits sehr bald schwarze Zahlen schreiben ließen.

Aber worum geht es nun eigentlich? Das ist recht schnell erzählt, was über die Qualität des Filmes aber gar nicht so viel zu sagen hat. Frank ist Student, einer unter Tausenden. Finanziell abgesichtert von seinen gutsituierten Eltern, lernt er BWL - weil man damit später wenigstens "sicheres Geld" verdienen kann - zumal er in der Firma von Papa schon seinen Platz sicher zu haben scheint. Verliebt ist Frank auch - einziges Problem: Seine neue spanische Freundin studiert derzeit in Lyon. Um dieser spontan einen Besuch abzustatten, nimmt er die Mitfahrgelegenheit Thomas wahr, der mit dem Verkauf eines Wohnmobils in der französischen Stadt gutes Geld verdienen will. "Tom" entpuppt sich als völliger Gegenpol zu Frank - lebt in den Tag hinein, ohne zu wissen, was er morgen macht und auch davon abgesehen eher jemand, der sich für das Prinzip der Festen Bindung nicht wirklich begeistern kann.

Diese Mischung hält einiges an Konfliktpotential bereit - zumal die Reise unerwarteterweise kurzfristig bis nach Spanien ausgeweitet werden muss. Autopannen und durchnässte Arbeitspapiere sind da noch das kleinste Problem. Doch wie so oft wird immer mehr klar, dass der Weg das eigentliche Ziel ist und die Mifahrgelegenheit entpuppt sich für die zwei Reisenden als wahrer Roadtrip, der beide immer mehr von ihrer zunächst dickköpfigen Verschlossenheit gegenüber einander abrücken lässt.

Matthias Dietrich (ich hoffe, ihr kennt ihn nicht von GZSZ oder Verliebt in Berlin, sondern von einem seiner deutschen Filme) und der unbekanntere Martin Kaps verkörpern ihre Rollen als streitende Dickköpfe sehr authentisch und fallen durchweg positiv auf. Der Film wirkt lebendig und dynamisch, und das obwohl - oder eben weil - er sich auf einen einzigen, chronologisch ablaufenden Handlungsstrahl entlang der Autobahnen und Landstraßen Deutschlands, Frankreichs und Spaniens beschränkt. Nichtsdestotrotz erscheint die Causa "Roadmovie" nach dem einhundertsten Mal nun auch durchgekaut, viele der Probleme waren schlichtweg die logische Folge aus dem Mangel an sinnvollen Alternativen zu einer einwand- und unfallfreien Fahrt und letztlich irgendwo schon einmal gesehen.



Mit oder ohne Diesel im Tank - TheCircumstance sagt 7 1/2 von 10 Wohnmobile! Weniger die originelle Handlung als vielmehr die - ich sagte es bereits vorher - revolutionäre Art und Weise, die Kreativität des Zuschauers am Schaffungsprozess zu fordern und zu fördern. Thumbs Up!


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