Montag, 13. September 2010

Im Zweifel für den Zweifel - Tocotronic live

Am vergangenen Samstag spielte die Hamburger Band Tocotronic im beschaulichen Stadtpark ihr x-tes Konzert vor heimischer Kulisse - jene Band, die MTV-Kultmoderator Markus Kavka einst als eine der "wichtigsten deutschen Gruppen aller Zeiten" betitelte. Als ich um ca. 22 Uhr mit einem Lächeln den Nachhauseweg antrat, überlegte ich doch schon recht kritisch, welchen Eindruck das Konzert im Nachhinein auf mich hinterlassen hatte. Eventuell sagt bereits die Tatsache, dass es ein Lächeln war, ein richtiges, mit nach oben verschobenen Mundwinkeln und allem drum und dran, mehr als genug und dieser differenziertere Gedanke erübrigt sich deshalb. Trotzdem fällt mir im Rückblick auf diesen Abend eine eindeutige Aussage etwas schwer.

Einer der Faktoren, der mich in diesen Zeilen vom überschwänglichen Feiern dieser Band abhält, ist der Auftritt der Vorband. 1000 Robota, ebenfalls aus Hamburg und - wie meine reizende Begleitung beläufig verlauten ließ - gerne mal vor dem Molotow anzutreffen, wurde mir von selbiger im Vorfeld mit den Worten "3 kleine Jungs, die wie dumm auf ihren Instrumenten herumkloppen" prophezeit. Unbefangen, zumindest theoretisch vorurteilslos, machte ich mir ein eigenes Bild und bereits nach zehn Minuten hatte sich der Grad meiner Erwartungshaltung dem Nullpunkt genähert und die Messlatte für den Auftritt der Hauptacts hing unerwartet niedrig. Vielleicht ist es als cleveres System zu verstehen, eine Band vorauszuschicken, die die Menge unbefriedigt zurücklässt und sich nicht anders zu helfen weiß, als das Publikum daraufhin in überheblichster Manier zu verspotten.

Dann endlich wurden wir von unserem Leiden befreit und Tocotronic betrat die Bühne. Die Mischung aus alten und neuen Songs, Rockigem und Softem, Aufständischem und melancholisch Trübsal blasendem war klasse. Es schien, als wäre für jeden etwas dabei, die Herzen der Fans schienen richtig aufzugehen. Einige, unweit von mir und meiner Begleitung entfernt, sprang selbiges scheinbar zu doll, mussten per Crowdsurfing zu den Securitymännern und von dort zu den Sanitätern befördert werden. Alles in allem verlief es aber reibungslos, mal wurden Feuerzeuge, mal linke Fäuste geballt in den Himmel gestreckt. Bereits nach etwa einer Stunde verschwand die Band von der Bühne, wobei jedem klar war, dass laute "Zugabe"-Rufe die vier Jungs schon bald wieder antanzen lassen würden. Das passierte ganze drei Mal und mich beschlich der Gedanke, dass wir es hier mit einem Trend zu tun haben. Je häufiger ich mich auf Konzerten meiner Lieblingsbands tummel, desto häufiger erscheint es mir, als hätte das zum guten Takt gehörende Zugabe-Spielen seine ursprüngliche Bedeutung eingebüßt. Vielmehr kommt es mir so vor als spiele mittlerweile die Häufigkeit das Verschwindens und ach so unerwartet wieder Auftauchens eine größere Rolle, dass das unermüdlich klatschend und schreiende Publikum bei prächtiger Laune halten soll. Doch natürlich zeigte es seine Wirkung und ich verbannte diesen Gedanken recht schnell wieder aus meinen Kopf.

So bleibt diesem doch durchaus gelungenen Auftritt ein einziger Wermutstropfen; die ganz großen Klassiker der 90er und frühen 2000er blieben - begleitet von großen Unmutsäußerungen - dennoch ungespielt. Laute Kehlen, die erwartungsvoll und emotionsgeladen nach "Kapitulation", "Imitationen" oder den "Grenzen des Guten Geschmacks" schrien, verstummten trotzig unerhört und mussten mit guten Alternativen wie "Die Idee ist gut, doch die Welt noch nicht bereit" oder "
Im Zweifel für den Zweifel" vorlieb nehmen. Apropos, Zweifel: Die letzten dieser Art waren nach der dritten Zugabe dann doch hinfortgefegt und mit einem melodischen Ohrwurm im Kopf verzogen sich die Massen, letztlich doch beglückt und zufrieden, in die Hamburger S1. Als Fazit bleibt ein schönes Konzerterlebnis, aber doch gleichzeitig die vollständige Stillung meines Bedürfnis nach dieser Band - zumindest bis zum nächsten Album.

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