Freitag, 18. Dezember 2009

Twittert's schon bei Ihnen?
Kevman ueber die Twitter-Obsession

Als ich heute Morgen wie ueblich nicht aus dem Haus gehen wollte, ohne vorher meine Emails zu checken, machte ich eine wundersame Entdeckung. Eine, die mich nicht nur verwirren, sondern gaenzlich verstoeren sollte. Ein kleines zwitscherndes Voeglein saß froehlich auf einem Zweig am rechten Bildschirmrand meines Browsers und versuchte mich von seinem InternetBanner aus auf die Website seines sicherlich fiesen, kapitalgeilen Online-Moguls zu locken. Geworben wurde mit "Twitter". Nun muss ich zugeben, dass ich wahrscheinlich in jede Zielgruppe eines Werbehaies eingeordnet werden koennte, fuer die ausgetueftelten Werbestrategien der klugen Koepfe hatte ich schon immer eine Schwaeche. Heute tat es mir das kleine Voeglein an. Wie fremdbestimmt drueckte ich auf den kleinen Lockvogel und biss somit an der widerhakigen Angel der Werbestrategen an. Es dauerte keine milliardstel Sekunde und ich befand mich auf twitter.moc [zu Ihrer eigenen Sicherheit habe ich die Webadresse in ein unentschluesselbares Anagramm verwandelt.]. Die Aufmachung der Seite war nichts Besonderes, der kleine weiße Piepmatz war immernoch anwesend, diesmal zentraler, fast mittig, und zauberte mir ein Laecheln auf's Gesicht. Doch auch abgesehen davon, weckte die Seite mein Interesse. Twitter, Twitter, Twitter,...Wieso in Gottes Namen ist dir dieses Wort so vertraut?

Soviel zur Vorgeschichte, ich befand mich also auf besagter Internetseite und musste es einfach wissen: Was ist Twitter? Eine Antwort offenbarte mir mein kleiner federiger Freund. Direkt unter seinem kunstvoll verzierten Ast stand es schwarz auf weiß:

"Twitter is a service for friends, family, and co–workers to communicate and stay connected through the exchange of quick, frequent answers to one simple question: What are you doing?"

As easy as that?, war mein ersten Gedanke. (Fuer meine nicht-bilingualen Leser, hier die google'sche Uebersetzung, wie immer unmissverstaendlich und korrekt:

"Twitter ist ein Service für Freunde, Familie und Kollegen zu kommunizieren und in Verbindung bleiben durch den Austausch von schnellen und häufigen Antworten auf eine einfache Frage: Was machst du?"
(Hier sollte urspruenglich unterschwellige Kritik an den unausgereiften Google-Sprachtools geuebt werden, stattdessen ziehe ich aber meinen Hut. Doch gar nicht so uebel... aber das ist ein anderes Thema.)

Twitter ist auf den ersten Blick vergleichbar mit Myspace, Facebook, oder hier zu Lande bekannteren Kandidaten wie Lokalisten und SchuelerVZ. Auf den ersten Blick?- Richtig. Es ist naemlich eigentlich ganz anders. Statt Fotoalben und Verlinkungen gibt es...naja, es gibt eben keine. Statt einer oeffentlichen Pinnwand ist alles, was bei Twitter geschieht, oeffentlich. Die Seite von Erfinder Jack Dorsey gewaehrt dem Mitlgied 140 Zeichen, sogenannte "Charakters", um auf die simple Frage zu antworten, was man gerade mache. Leute, die es hin und wieder schaffen, mit ihren (natuerlich immer der Wahrheit entsprechenden) Taetigkeiten Ihr Interesse zu wecken, werden dann von Ihnen "verfolgt". Sie nehmen sie in Ihre Liste der Verfolgten auf und werden von nun an regelmaeßig darueber unterrichtet, wenn Ihre Zielperson aus der Dusche taumelt, um sich anschließend dem Zaehneputzen zu widmen. Sofern, und das ist der eigentliche Sinn des ganzen, jeder regelmaeßig und brav seine Atemzuege dokumentiert.

Wozu das ganze aber? Ich erinnere mich noch, da galt der Informationsaustausch ueber Email als revolutionaer. Anfaenglich waren es kleine Botschaften, auf die man sich beschraenken musste, mit der Zeit war der Umgang mit bits und bites das A und O, das Aushaengeschild der westlichen Zivilisation. Emails konnten nun Bilder oder gar Videos enthalten, instant messaging war der naechste Schritt, es kam die Zeit der social networks. Sie lesen dies, waehrend Sie auf meinem Blog sind. Und jetzt also Twitter? Diese neue Generation des vernetzten Austausches mit Abermillionen von Menschen nennt sich "Mikro-Blogging". Das habe ich auch anfaenglich gemacht, da hatte ich einfach nicht so viel zu sagen. Aber sollen diese auf 140 Zeichen reduzierten Monologe wirklich unsere Zukunft darstellen, oder machen wir damit nicht etwa einen gewaltigen Schritt zurueck?

Doch ein positives hat dieses Twitter, ob man es nun gutheißen mag oder nicht: Taeglich werden ueber 2 Millionen Twitters durch die ganze Welt versendet, Tendenz stark steigend. So berichtete der englische Telegraph davon, dass die Website von den 3000 meistgenutzen der USA hinaufkletterte in die Top 300. Das war Januar, der Trend aber setzte sich fort. Heute belegt Twitter Platz 27, noch vor den Riesen Flickr.com und Amazon. Ein Grund dafuer koennte die satte Auswahl an prominenten Mittwitterern sein. Britney, Kanye, Brand. Doch der hellste Stern am Twitter-Firmament ist der charismatischste Mann der Welt. Nein, die Rede ist nicht von Mario Barth - Es ist Barack Yes he can Obama, Praesident der maechtigsten Nation der Erde. Was viele hierzulande nicht wissen: Er nutzte waehrend des Wahlkampfes Twitter, um seinen potentiellen Waehlern nahe zu sein, um mit ihnen zu sympathisieren und um Praesident zu werden. Nun fragt man sich doch...

Wow! Macht auch Twitter mich zum Praesidenten? Zum Maedchenschwarm, zum Millionaer? - Die Antwort ist nein, denn 2008 machte Twitter nicht einmal seine Entwickler zu Millionaeren. In diesem Jahr schaltete die Website keine Werbung und machte daher auch keine Einnahmen. Wahrscheinlich loeste dies bei einer Menge ueberstudierter Internetkarrieristen Stirnrunzeleinen oder gar Heulkraempfe aus, nichtsdestotrotz sucht man auf Twitter nach Werbung nach wie vor vergeblich.

Es scheint, als waeren wir bald Zeugen eines riesen Getwitters, dessen unheilvolle Wolken aus den Vereinigten Staaten den Regen des Mainstream zu uns peitschen koennten.

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