Montag, 6. September 2010

"Deutscher unter den Toten eines Flugzeugabsturzes"?

Was inzwischen sicherlich kein Geheimnis mehr ist, ist die Tatsache, dass ich hin und wieder von der Internetseite der Wochenzeitung Die Zeit gebrauch mache. Seit ich vor drei Jahren für den Zeitraum von etwa sechs Monaten Abonnent war, habe ich eine recht hohe Meinung von diesem Blatt, zumal Wissen dort zum einen in großen Mengen, zum anderen - meines Erachtens - eben auch fundiert vermittelt wird. Anders als beispielsweise eine hier ungenannte Tageszeitung des Springer Verlages, fühlte ich mich nie genötigt, Vorwürfe des übermäßigen Populismus oder der Meinungsmache zu erheben.

Vorgestern hat mich nun aber ein Artikel aus der aktuellen Wochenausgabe aufhorchen lassen. Berichtet wurde von einem "Deutschen", der "unter den Toten eines Flugzeugabsturzes" zu beklagen sei. Die "Nationalität im Tod", wie diese sensible Thematik in dem ersten Kommentar von User red_sky treffend betitelt wurde, ist mir gegenüber in der Vergangenheit immer häufiger negativ in Erscheinung getreten. Nachrichtensprecher berichten davon, dass bei Geiselnahmen im Sudan unter den Entführten "auch 3 Deutsche" zu vermuten seien, als 2004 der Tsunami weite Teile Südostasiens verwüstete, waren desweiteren "über 500 deutsche Touristen unter den Opfern".

Zutiefst verwundert über das Format dieses - stolze elf Sätze langen - Berichtes, das den Tod eines Deutschen in den Mittelpunkt des Interesses und der Relevanz rückt, empfand ich die unter "Kommentare" darunter in Fahrt gekommene Debatte zumindest beruhigend, vermittelte sie mir doch das Gefühl, nicht der erste zu sein, den diese Art von Journalismus gehörig verunsicherte.

Dieser Artikel verkörpert das Ungleichgewicht der Betroffenheit, die der Tod eines Deutschen im Kontrast zu derer zwanzig neuseeländischer Einheimischer verursacht - in deutschen Medien und Leserkreisen wohlgemerkt! Völlig normal oder doch bedenklich? Vielleicht viel eher aber eine Mischung aus beidem, sind die Argumente sowohl von red_sky als auch diese seiner Gegenüber völlig nachzuvollziehen. Nicht zuletzt springt Spiderman - vom Grünen Kobold vor die Wahl gestellt - auch zuerst MJ hinterher, bevor er sich aufmacht, um die in der Seilbahn in die Tiefe stürzenden Kinder zu retten.

Trotzdem bleibt ein fahler Beigeschmack, erscheint es mir persönlich doch so, dass die Betonung der Nationalität in den letzten Jahren deutlicher geworden ist. Doch vielleicht ist das nichts weiter als ein Mittel, das direkt auf das von Fettes Brot besungene Phänomen der Medientaubheit zurückzuführen ist (An Tagen Wie Diesen). Wie erzeugt man Anteilnahme in einer Bevölkerung, die sich täglich einer Sintflut von neuen Sinneseindrücken und neuen Superlativen gegenübergestellt sieht? Vielleicht ist der Bezug zu dem Zeitungsleser und dem Nachrichtenschauer nur noch durch die letzte verbleibende Gemeinsamkeit herzustellen, die der "Mitte" unserer Gesellschaft noch etwas bedeutet. Nationale Zugehörigkeit. Dass allen neun Insassen der neuseeländischen Maschine das gleiche Blut durch die Venen floß, dass sie das gleiche Reiseziel anvisiert hatten und nicht zuletzt doch auch das gleiche Schicksal erleiden mussten, scheint dem von deutschen Medien gefütterten Konsumenten nicht genug zu sein. Letztlich haben doch diejenigen Recht, die den Medienverhassten wie mir auf die Schulter klopfen und sagen: "Ihr lest nicht das, was ihr aufgetischt bekommt. Ihr bekommt aufgetischt, was ihr lesen wollt."


3 Kommentare:

  1. Dass DIE ZEIT schon immer ein bürgerlich-konservatives Blatt war und ist, ist dir entgangen? Da wundert mich so manch nationalistische Äußerung keineswegs. Sicherlich gibt es auch in der ZEIT einige wirklich gute, fundierte Artikel, die es in sich haben - sowohl sprachlich als auch in ihren Äußerungen. Dennoch bietet die Zeitung viel Platz für die, sagen wir, Bourgeoisie, sich genüsslich zurückzulehnen und den Zeigefinger ans Geschehen zu halten.

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  2. Wow, sowas wollte ich schon seit langem Mal hören! Es geht mir schon seit Jahren auf die Nerven, dass jeder immer davon spricht, dass so und so viele Deutsche unter den Opfern sind, als würde das irgendeinen Unterschied machen, dass Menschen an sich gestorben sind. Schlimm ist, dass es der Großteil der Bevölkerung annimmt/übernimmt, weil es irgendwie sensationeller ist. Wer würde schon sagen: "Oh ist das nicht schlimm, dass in Neuseeland ein Flugzeug mit 9 Insassen angestürzt ist!"? Ein großer Flugzeugabsturz schafft es ja meist auch nur dann in die Volks-Medien, wenn es z.Zt. nichts anderes Spektakuläres gibt!
    Allerdings gebe ich zu, dass ich es angenehm fand ein paar Informationen über den Neuseeland-Absturz in der ZEIT zu lesen, denn ich bin erst vor Kurzem aus NZ zurückgekehrt. Dadurch interessiert es mich schon, wer, wie, wo, was... Für einen kleinen Überblick reichen also die Infos. Aber die Überschrift erinnert an Schlagzeilen von Blättern, die ich keinesfalls lesen möchte und bin damit enttäuscht von der unprofessionellen Darstellung des Geschehens!
    Schön, dass das Thema mal aufgegriffen wurde, mal sehen, wie das andere so sehen! :)
    nicole

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  3. Endlich wurde das Thema mal auf den Punkt gebracht, ich stimme Nicole da voll und ganz zu.
    Der Tod an sich oder eine Geiselnahme an sich sind schließlich Gründe genug zur Beunruhigung.
    Trotzdem denke ich, dass dahinter ein Interesse steckt, das Mitgefühl und damit die Popularität und Sensation zu steigern, da man sich mit "Gleichgesinnten", also den Menschen unserer Nation sicherlich doch etwas mehr verbunden fühlt als mit Neuseeländern.
    Es ist eben alles Geldmacherei!
    Anika

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